Queerfeindliche „Stolzmonat“-Kampagne der neofaschistischen Bewegung
Dieser Text wurde veröffentlicht am:
26. Juli 2023
Ende Juni 1969 kam es nach polizeilichen Schikanen in der queeren Bar „The Stonewall Inn“ in der Christopher Street in New York City zu tagelangen gewalttätigen Auseinandersetzungen der LGBTIQ*-Szene New Yorks mit der Polizei. Nachdem die Polizei...
...über Jahre hinweg immer wieder in Bars mit einem schwulen, lesbischen und transidenten Zielpublikum schikanöse Razzien durchgeführt hatte, Anzeigen wegen „anstößigem Verhalten“ verteilte und die Identitäten der Besucher*innen teilweise öffentlich machte, entlud sich in den „Stonewall Riots“ die Wut über die systematische Diskriminierung und Kriminalisierung queeren Lebens.. Der Widerstand im Stonewall Inn, bei dem die Polizei erfolgreich vertrieben wurde, war ein Wendepunkt und wurde ein wichtiges Symbol im weltweiten Kampf queerer Menschen für Gleichberechtigung und Anerkennung ihrer Existenz und Identität. Im Folgejahr fand der erste „Christopher Street Day“ (CSD) statt, auch die Ausrufung des Monats Juni zum „Pride Month“ war eine Folge der Stonewall Aufstände.
Seit Beginn der queeren Bewegung bis zum heutigen Tag sieht sie sich permanenten Angriffen konservativer, religiös-fundamentalistischer, extrem rechter und faschistischer Kräfte ausgesetzt. Mit dem neokonservativen Rollback der letzten Jahre, gezielter Kampagnenarbeit fundamentalistischer, antifeministischer und queerfeindlicher Netzwerke und nicht zuletzt mit dem Erstarken der AfD nimmt die Intensität der Angriffe in den letzten Jahren deutlich zu. Aus den Kreisen der Jungen Alternative wurde diesen Juni zum ersten aber vermutlich nicht letzten Mal eine massive Kampagne koordiniert, die sich gegen queeres Leben und die freie Entfaltung aller Menschen richtete. Unter dem Titel „Stolzmonat“ und dem Motto „Schwarz Rot Gold ist bunt genug“ versucht die extrem rechte Jugendorganisation ein Reframing des „Pride Months“ durchzusetzen. Der Stolz oder eben Pride, auf den sich die LGBTIQ+ Bewegung bezieht, ist eine Reaktion auf Jahrhunderte der Unterdrückung, Unsichtbarmachung, Verfolgung und Diskriminierung von Menschen, die nicht in das Bild der heteronormativen Zweigeschlechtlichkeit passen. Diesen Pride wollen die extrem rechten Akteur*innen auslöschen und durch einen nationalistischen, ausschließenden und aggressiven Stolz ersetzen, der keine Abweichung von der imaginierten Norm toleriert.
Der Kampagne haben sich im Regierungsbezirk Köln nicht nur JA und AfD angeschlossen, auch Lukreta und die „Revolte Rheinland“ beteiligten sich mit Aktionen, die in den Sozialen Medien verbreitet wurden. Lukreta postete Bilder aus Mainz, mit Deutschlandflagge auf einer Regenbogen-Parkbank stehend oder vor einem LGBTIQ*-Transparent. Revolte Rheinland malte Graffiti in Trier (RLP), hing beleidigende Plakate auf der Route des CSD in Düsseldorf auf und überklebte in Bonn einen Regenbogen-Zebrastreifen mit Schwarz Rot Gold, wobei drei Mitglieder von der Polizei gestellt wurden. Bereits im Mai wurde eine Regenbogen-Parkbank in Hennef grau übersprüht, hier darf die neugegründete NPD-Jugendgruppe „Rheinlandbande“ als Täter vermutet werden. Auch bei den JN-Grupen wurde das Thema nämlich aufgegriffen: Mitglieder der Rheinlandbande und weitere lokale Aktionsgruppen aus anderen Regionen und Bundesländern malten in Celle ein „Stolzmonat“-Graffiti, einen Tag nach einem völkischen Sommersonnwendfest. Eine Gruppe von AfD’ler*innen rund um Roger Beckamp und Lukreta Gründerin Reinhild Boßdorf entrollten am Kölner Dom eine große Deutschlandflagge – Beckamp reagierte damit auf eine „Challenge“ der IB Bayern. Auf Social Media werden kontinuierlich Falschinformationen gepostet und Hass geschürt. Die Junge Alternative NRW hat zum Abschluss ihrer Kampagne ein Stickermotiv veröffentlicht, das in Kooperation mit dem identitären Comic-Label „Hydra-Comics“ und dem u.a. dort tätigen Neonazi-Künstler„Wolf.PMS“ entstanden ist. Außerdem versuchte ein Grüppchen von etwa 8-10 Rechten wiederholt den CSD in Köln am 8. Juli zu stören - ein Video der eher peinlichen Aktion wurde auf Instagram unter dem Label "Gegen das Gendern" geteilt und über 10.000 mal geliked.
Es ist durchaus beabsichtigt, dass mit solchen Kampagnen ein gesellschaftliches Klima geschaffen wird, in dem auch Gewalttäter*innen sich zu Angriffen auf LGBTIQ*-Personen legitimiert fühlen. So wurde etwa am 30. Juni in der Nähe der Schaafenstraße, einem bekannten Treffpunkt der queeren Community in Köln, eine Regenbogenflagge abgerissen und verbrannt, bei dem 18 Jährigen Täter und seinen Begleitern fand die Polizei ein verbotenes Springmesser und einen Teleskopschlagstock. Besucher*innen des CSD in Köln berichten von vereinzelten Beleidigungen und Pöbeleien am Rande der Veranstaltung und in mindestens einem Fall wurden Besucher*innen mit Urin bespritzt. am Abend des CSD wurden zwei junge Besucher queerfeindlich beleidigt und mit Faustschlägen ins Gesicht und mit einer vollen Glasflaschen attackiert.
Übrigens, wenn euch queerfeindliche Gewalt oder Diskriminierung begegnet, kann die Fachstelle rubicon eine gute Anlaufstelle für euch sein, eine Meldestelle Queerfeindlichkeit befindet sich derzeit noch im Aufbau. (dp)