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Extrem rechten Allianzen entgegentreten

Dieser Text wurde veröffentlicht am:

5. Mai 2023

Am 6. Mai 2023 werden die Aktivist*innen Elena Kolbasnikova und Max Schlund zwei Veranstaltungen organisieren. Für 12 Uhr ist ein erster Versammlungsort in Leverkusen unter der Stelzenbrücke (Marienburgstraße) angemeldet. Von dort aus soll ein Autokorso...

...nach Köln fahren. Dieser endet auf einem Parkplatz an der Deutzer Werft. Von dort aus soll es einen Demonstrationszug in die Kölner Innenstadt geben – geplant ist hier eine Abschlusskundgebung in der Nähe des NS-Dokumentationszentrums, die um ca. 15 Uhr beginnen soll. Kolbasnikova und Schlund agieren in Deutschland seit letztem Jahr öffentlich als Propagandist*innen der aktuellen russischen Staatspolitik. Dabei wird die Geschichte des Zweiten Weltkrieges und der Shoa von gegenwärtigen Vertreter*innen Russlands regelmäßig in nationalistischer Weise vereinnahmt und insbesondere in der Ukraine mit geopolitisch-autoritären und tagesaktuellen Interessen vermengt. Entsprechend versuchen Kolbasnikova und ihr Partner den deutschen Diskurs im Rahmen eigener öffentlicher Veranstaltungen sowie durch Social-Media-Aktivitäten zu beeinflussen. Zuletzt hatte ihr Aktivismus nicht nur die Kündigung bisheriger Arbeitsverhältnisse, sondern auch Straf- und Gerichtsverfahren zur Folge. So wirft die Kölner Staatsanwaltschaft Kolbasnikova im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine Billigung und Belohnung von Straftaten vor. Im April fand zudem eine Hausdurchsuchung bei Kolbasnikova und Schlund statt, bei der ermittelt werden sollte, ob beide Gelder für die russische Armee in Deutschland gesammelt haben.

Im Zuge ihrer Aktivitäten für den russischen Staat arbeiten Kolbasnikova und Schlund mit verschiedenen Akteur*innen der deutschen extremen Rechten zusammen. Insbesondere der frühere „pro Köln“- und jetzige „Aufbruch Leverkusen“-Funktionär Markus Beisicht tritt immer wieder gemeinsam mit Kolbasnikova auf. Bei einer Kundgebung vor dem Kölner Amtsgericht am 29. März sprachen nicht nur Beisicht, Kolbasnikova und ihr Unterstützer Alexej Simin. Es äußerten sich auch ehemalige „AfD“-Politiker*innen wie Eugen Walter und André Poggenburg, der „Influencer“ Jovica Jović, der Neonazi Alexander Kurth sowie der Esoteriker und Verschwörungsideologe Wjatscheslaw Seewald aus dem Allgäu. Die Aktivitäten nach der Kundgebung offenbarten eine konfuse und höchst eigenwillige Instrumentalisierung von NS-Geschichte für autoritäre Realpolitik. So fuhren einige Teilnehmer*innen nach der Kundgebung gemeinsam mit Kolbasnikova und Schlund in einem polizeibegleiteten Autokonvoi zum Kölner Westfriedhof, wo der Toten des Zweiten Weltkriegs gedacht werden sollte. Man legte Blumen vor Ossip Zadkines Werk „Die Gefangenen“ sowie auf dem Gräberfeld für ausländische Kriegsgefangene nieder. Kolbasnikova hielt eine kurze Rede, in der sie die Toten für aktuelle außenpolitische Interessen Russlands zu instrumentalisieren versuchte. Es war aber vor allem der Verschwörungsideologe Wjatscheslaw Seewald, der die Gedenkstätte für eine nationalistische Inszenierung nutzte: So forderte er die Teilnehmer*innen der Veranstaltung auf, sich im Kreis um einen Baum auf dem Gräberfeld zu versammeln. Die Anwesenden fassten sich an den Händen und sangen die russische Nationalhymne - einige hatten sich dazu das Sankt-Georgs-Band an die Kleidung geheftet. Das abschließende Posieren Kolbasnikovas und Schlunds auf dem Gräberfeld des Westfriedhofs mit einer von Seewald mitgebrachten „Reichsbürger“-Fahne wirkte auf Außenstehende bedrückend und unangemessen.

In einem schriftlichen Gesuch baten Kolbasnikova und Schlund einige Zeit später darum, am 6. Mai 2023 im Innenhof des NS-Dokumentationszentrums Blumen niederlegen zu dürfen. Diesem Ansinnen konnte in keiner Weise entsprochen werden: Schlunds und Kolbasnikovas Vereinnahmungsversuch der Weltkriegstoten auf dem Kölner Westfriedhof am 29. März 2023 ist als geschichtspolitischer Angriff auf die Würde der Verstorbenen selbst zu bewerten. Ihre Nähe zu deutschen Vertreter*innen der extremen Rechten sowie ihre einseitige Parteinahme für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine lassen zudem auch eine künftige Instrumentalisierung von NS-Opfern befürchten. Die autoritäre, queerfeindliche und aggressiv-nationalistische Staatsideologie der gegenwärtigen russischen Föderation und ihrer Anhänger*innen steht im Widerspruch zu einer menschenrechtsorientierten Debatten- und Erinnerungskultur. Das NS-Dokumentationszentrum und andere Gedenkstätten müssen dagegen jeder Art von Vereinnahmungen mit einer klaren, verantwortungsvollen Haltung begegnen: Sie verstehen sich als Erinnerungsorte, die den Verstorbenen gerecht werden wollen sowie als Korrektiv diskursiver Instrumentalisierungen. Da Kolbasnikova und ihre Mitstreiter*innen keinen Zugang zu den Räumen des NS-Dokumentationszentrums erhalten, haben sie zuletzt eine Kundgebung in der Nähe des EL-DE-Hauses angemeldet. Verschiedene zivilgesellschaftliche Akteur*innen wehren sich gemeinsam mit dem NS-Dokumentationszentrum gegen derartige nationalistische Vereinnahmungsversuche und rufen daher für den 6. Mai 2023 zu einer eigenen Kundgebung vor dem EL-DE-Haus auf.

Die Veranstaltung wird um 14:30 Uhr beginnen (Änderungen sind möglich).

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