Zwölf Wochen bei der MBR Köln
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11. Dezember 2025
In den letzten drei Monaten des Jahres 2025 absolvierte ich ein Praktikum bei der MBR Köln. Ich möchte Sie und Euch auf meinen Weg mitnehmen und Erkenntnisse dieser Zeit teilen.
Anfang des Jahres 2025 befand ich mich im Ausland und beobachtete so die letzten Züge des Bundestagswahlkampfes 2025, wie auch die Ergebnisse, aus der Ferne. Nicht vor Ort zu sein, nicht direkt mit Personen zu diskutieren, die Stimmung im Land nicht wahrnehmen und Debatten nicht im gleichen Maße verfolgen zu können, beeinflusste meine Stimmung maßgeblich negativ.
Mit Sorge verfolgte ich einzelne Debatten, Aussagen ranghoher Politiker*innen und Zeitungsartikel. Von meiner Position aus fühlte es sich so an, als ginge es in diesem Wahlkampf nur um die Themen Migration und Asyl. Und diese Auseinandersetzung schien nicht einmal differenziert und menschenwürdig stattzufinden. Ganz zu schweigen von anderen Themen, die ich selbst als relevant einstufte aber kaum wahrnahm: Bekämpfung von Rechtsextremismus, Armut und Diskriminierung und die Entwicklung von Ansätzen für Bildungsgerechtigkeit, bezahlbares Wohnen, bezahlbaren und funktionierenden ÖPNV, die Energiewende und die Bekämpfung der Klimakrise. Die Proteste für Demokratie, Vielfalt und gegen extrem rechte Ideen und Deportationsfantasien, die im Winter 2024 in ganz Deutschland Massen mobilisierten, schienen inzwischen ganz weit weg. Ich war ziemlich resigniert und fassungslos. Der öffentliche Diskurs war inzwischen so verrohrt und die rechtsextreme AfD war immer mehr im Aufwind.
Ich habe in den vergangenen Jahren viel über Rechtsextremismus geredet, über rechtsextreme Einstellungen und Akteur*innen gelesen und in zahlreichen Diskussionen extrem rechte Narrative auseinandergenommen. Ich beobachtete eine Diskursverschiebung nach „rechts“ und eine Normalisierung extrem rechter Positionen. Ich nahm wahr, wie es möglich wurde, Aussagen ohne Widerspruch zu tätigen, von denen die AfD noch vor 5 Jahren nur hätte träumen können und trotzdem waren mir die Verbreitung rechtsextremer Narrative, Personen und Zusammenschlüsse noch nie in dem Maße bewusst, wie während meines Praktikums. Denn während meiner Zeit bei der MBR durfte ich unfassbar viel lernen: Viele Sachen, die innerhalb des Kölner MBR-Teams ganz klar sind, sind für Menschen, die sich nicht jeden Tag mit extrem rechten Strömungen, Gruppierungen, Gedankengut und Akteur*innen auseinandersetzen, vielleicht gar nicht so klar.
Ich sitze in Beratungsgesprächen, in denen es ganz konkret darum geht, wie sich Engagierte gegen rechtsextreme, rassistische und/oder antisemitische Angriffe schützen können. Wann ist eine offene Türpolitik zu gefährlich? Machen sie sich durch Bilder und Namen auf der Webseite zu angreifbar und reicht diese Gefährdungslage für eine Beantragung einer Auskunftssperre? Es geht darum, wie Hass-Mails dokumentiert und zur Anzeige gebracht werden können, was passiert, wenn in der Umgebung oder an der Einrichtung selbst rechtsextreme oder rassistische Sticker auftauchen. Oder wir besprechen, wie bekennende Rechtsextreme von Veranstaltungen ausgeschlossen werden können. In anderen Beratungen, von denen mir berichtete wurde oder bei deren Vorbereitung ich dabei war, geht es darum, wie mit extrem rechten Narrativen in der Familie umgegangen werden kann. Welche Möglichkeiten es gibt, wenn Schüler*innen mit rechtsextremen Stickern und Merch auffallen oder eine große Faszination für die NS-Zeit an den Tag legen. Menschen begegnen menschenfeindlichem Gedankengut jeden Tag. Auf einer bestimmten Ebene war mir das schon lange bewusst, nun ist es das auch auf einer fundierteren, praktischeren Ebene. Zugleich, bin ich während meines Praktikums täglich Menschen begegnet, die sich jeden Tag dafür einsetzen, dass Deutschland eine lebendige vielfältige Demokratie bleibt.
An anderen Tagen nehme ich an Vorträgen und Austauschformaten zu Queerfeindlichkeit, den „Grauen Wölfen“, Neo-Nazis der Gen Z, den Wahlergebnissen der NRW-Kommunalwahl 2025 und extrem rechten Akteur*innen im Regierungsbezirk Köln teil. Ich recherchiere zu völkischen Siedlungsbewegungen, Richtlinien und Gesprächsstrategien zum Umgang mit extrem rechten Gedankengut für Vereine und Privatpersonen sowie Umgangsempfehlungen mit Rechtsextremismus und Rassismus im Kontext Kita, Grundschule und Hochschule. Noch nie war meine Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus so intensiv und weitreichend. Und vermutlich habe ich die Bedrohung für die Demokratie, die vielfältige Zivilgesellschaft, meine Freund*innen und in geringeren Grade auch für mich selbst, noch nie so stark gespürt, und trotzdem fühle ich eine etwas unerwartete Ruhe. Nicht, weil es „nicht brennt“ oder extrem rechte Akteur*innen nicht gefährlich sind, sondern weil ich so viele Einblicke in die Bekämpfung rechtsextremer Ideologie bekomme, in Initiativen, die sich widersetzen und Lösungskonzepte entwickeln. Und hierbei unterstützt die MBR, welche zwar kein Patentrezept und keine 100%-ige Sicherheit liefern kann, wohl aber Ansätze. Das MBR-Team kann Handlungshinweise geben und zeigen, dass es lohnt sich, weiterzumachen.
Während meines Praktikums erhalte ich zusätzlich ganz neue Einblicke darin, wie kompliziert der Förderprozess durch Drittmittel in 1-Jahres-Zyklen ist und wie prekär die Arbeit dadurch wird. Ich kann sehen, wie überlastet meine Kolleg*innen sind und wie hoch der Bedarf ist, so dass die Arbeitszeit oft gar nicht ausreicht, um diesem angemessen zu begegnen.
Und trotz vielfältiger Belastungen, machen sie und die Menschen, die sie beraten, weiter. Und genau das macht mir wirklich Hoffnung. (jh)
