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Akteur*innen aus dem RB Köln auf dem Potsdamer Geheimtreffen (Update)

Dieser Text wurde veröffentlicht am:

29. Februar 2024

Am 10. Januar 2024 veröffentlichte das Medienhaus „Correctiv“ Rechercheergebnisse über eine extrem rechte und konspirativen Zusammenkunft vom 25. November 2023. Diese fand im Gästehaus...

...am Lehnitzsee, im historischen Potsdamer Landhaus Adlon statt und wurde von dem pensionierten Zahnmediziner Gernot Mörig organisiert. Dort besprochene Themen, insbesondere ein Vortrag von Martin Sellner („Identitäre Bewegung Österreich“) zur Planung einer durch und durch rassistisch motivierten Ausweisung bestimmter Menschen aus Deutschland sowie die Teilnahme von AfD- und CDU-Politiker*innen an dem Treffen, sorgten für Entsetzen in weiten Teilen der bundesdeutschen Gesellschaft. Sellner sprach im Zusammenhang mit seinen rassistischen Plänen von einer „Remigration“, was offenbar harmlos klingen soll. Die demokratische Öffentlichkeit ließ sich von dieser Verschleierungstaktik jedoch nicht blenden und mobilisierte nach Bekanntwerden der Pläne zu den größten Protesten gegen Rechtsextremismus seit Jahrzehnten in Deutschland. Am 16. Januar demonstrierten 30.000 Menschen gegen rechts auf dem Kölner Heumarkt, wenige Tage später waren es 70.000 auf der Deutzer Werft. In Düsseldorf versammelten sich am 27. Januar 100.000 Menschen gegen Rechtsextremismus – die größte Demonstration in der Geschichte der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. In anderen Teilen der Bundesrepublik gingen ebenfalls Hunderttausende gegen Rassismus und extrem rechte Vertreibungsfantasien auf die Straße. Auch wurde wieder verstärkt über ein AfD-Verbot diskutiert.

An dem Geheimtreffen von Potsdam nahmen auch politische Akteur*innen aus dem Regierungsbezirk Köln (RB Köln) teil. Einer davon, der Jurist und CDU-Mitglied Ulrich Vosgerau, der auch als Privatdozent an der Universität Köln lehrte, referierte auf der Veranstaltung über das „verfassungsrechtliche Problem der Briefwahl“. Ihm zufolge handelte es sich um eine „rein private Zusammenkunft“ zum „Austausch über politische Gegenwartsfragen“. Medienberichten zufolge prüfen Verantwortliche jetzt, ob die Voraussetzungen für Vosgeraus Status als Privatdozent an der Universität zu Köln weiterhin gegeben sind. Die Universität stehe für „Weltoffenheit“, „Vielfalt und Diversität“. Bei der Pressekammer des Hamburger Landgerichts wurde im Februar eine einstweilige Verfügung gegen „Correctiv“ beantragt. Dabei ging es nicht um den Kernvorwurf einer extrem rechten Zusammenkunft, sondern um drei Nebenaspekte des „Correctiv“-Berichtes, die Vosgerau allein persönlich betreffen. Dabei konnte er in einem Punkt eine Unterlassungsverfügung durchsetzen. In zwei Punkten hatte er keinen Erfolg. Vor Gericht wurde Vosgerau durch Carsten Brennecke von der Kölner Kanzlei Höcker vertreten.

Währenddessen streben die Fraktionen von CDU, FDP, SPD und Grünen eine Änderung der Geschäftsordnung des nordrhein-westfälischen Landtags an. Vosgerau war dort auf Einladung der AfD als Sachverständiger in die Enquete-Kommission „Krisen- und Notfallmanagement“ berufen worden. Nachdem weder die AfD noch Vosgerau einer Abberufung aus der Kommission zustimmten, stellten CDU, FDP, SPD und Grüne ihren Änderungsantrag. Diesem zufolge sollen künftig Sachverständige per Mehrheitsbeschluss abberufen werden können. Nötig wäre dafür eine Zweidrittelmehrheit. Fraktionen können eigene Sachverständige dann zudem ohne eine Zweidrittelmehrheit abberufen. Der Antrag wurde schließlich verabschiedet und zum 1. Februar in Kraft gesetzt. Am 1. März soll die nächste Sitzung der Enquetekommission „Krisen- und Notfallmanagement“ stattfinden – möglich wäre dann eine Abstimmung über Vosgeraus Abberufung als Sachverständiger.

 

Bei zwei weiteren Politikerinnen aus der Region, die in Potsdam dabei waren, handelt es sich um Simone Baum aus dem oberbergischen Engelskirchen sowie Michaela Schneider aus Morsbach. Baum ist aktuell noch CDU-Politiker*in, zudem war sie NRW-Vorsitzende des Werteunion-Vereins. Aufgrund ihrer Teilnahme am extrem rechten Treffen ist sie jetzt mit einem Parteiausschlussverfahren konfrontiert. Ausgeschlossen wurde sie weiterhin vom Bürger- und Verschönerungsverein „Loope“, zudem kündigte ihr die Stadt Köln fristlos – Baum war im Beschwerdemanagement des städtischen Umweltamts tätig. Am 14. Februar wurde bekannt, dass sie vor dem Kölner Arbeitsgericht gegen ihre Entlassung klagt. Ihr Anwalt Rainer Thesen veröffentlichte rechtspopulistische und geschichtsrevisionistische Bücher im rechten „Osning“-Verlag. Im Jahr 2008 verteidigte er gemeinsam mit zwei neonazistischen Szeneanwält*innen den NS-Kriegsverbrecher Josef Scheungraber vor dem Münchener Landgericht. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ kommentierte Stadtsprecher Alexander Vogel die Ereignisse wie folgt: „Die Stadt Köln distanziert sich eindeutig von jeglichen rechtsradikalen Initiativen.“ Michaela Schneider war stellvertretende NRW-Vorsitzende der „Werteunion e.V.“; nach ihrer Teilnahme am Potsdamer musste sie aus der „Mittelstands- und Wirtschaftsunion Oberberg“ austreten.

Ein anderes Treffen rechter Akteur*innen sorgte zuletzt ebenfalls für Schlagzeilen mit beruflichen Auswirkungen: So musste der vormalige CDU-Finanzsenator Berlins und frühere Kölner Oberbürgermeisterkandidat Peter Kurth seinen kommissarischen Präsidentenposten beim „Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft“ (BDE) räumen – Medienberichten zufolge hatte Kurth im Juli 2023 unter anderem Götz Kubitschek, Martin Sellner und weitere Personen in seiner Berliner Wohnung empfangen. Dort habe Maximilian Krah von der AfD sein neues Buch vorgestellt. Auch die frühere Arbeitsstelle Kurths positionierte sich klar: Rechtsextremismus, Rassismus oder Antisemitismus hätten im BDE keinen Platz. Kurth selbst soll eine wichtige Rolle in der extrem rechten Berliner Burschenschaft „Gothia“ spielen. Im Laufe weiterer Medienrecherchen wurde bekannt, dass er in den Jahren 2019 bis 2022 240.000 Euro in ein Firmengeflecht zur Finanzierung der „Identitären Bewegung“ investiert hatte. Wie das „Handelsblatt“ meldet, war Kurths persönlicher Referent in seiner Zeit beim BDE der Sohn von Gernot Mörig.

Diese Vorgänge zeigen: Die Übergänge zwischen rechtskonservativen und extrem rechten Zusammenhängen erweisen sich mitunter als fließend.

Die Rede von der „Remigration“ ist in extrem rechten Kreisen nicht neu. Die Sprecherin der AfD Rhein-Sieg, die sich auf Listenplatz 9 um einen Sitz im EU-Parlament bewerben wird, sprach bereits in ihrer Bewerbungsrede im Sommer 2023 beim Thema Migration von „millionenfacher ‚Remigration‘“. Der radikalere Flügel der NRW-AfD hält trotz anhaltender Proteste an dem rassistischen Konzept fest: So hielt die AfD Eitorf am 23. Januar 2024 ein Treffen im dortigen Bürgerzentrum ab – vor Ort waren die AfD-Politiker*innen Eugen Schmidt, Irmhild Boßdorf, Roger Beckamp, Rüdiger Lucassen und Carlo Clemens. Das Thema: „Remigration“. Gegen die Veranstaltung demonstrierten 3000 Menschen aus Stadt- und Zivilgesellschaft. (at/mge)

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